Schriftsteller – Verwirrte Phantasten
11. Januar 2010 von Donna
Delikat empfand er (Georg Michael La Roche – verheiratet mit Sophie) lediglich die Tatsache, daß sie (Sophie La Roche – Großmutter Brentanos) plötzlich wie ein Stern ausgerechnet in den Reihen derer leuchtete, von denen er seit jeher eine ungünstige Meinung hatte. Denn die Romanschriftsteller hielt er für eine ganz besondere Species, die nichts anderes verdiente, als mit Spott und mit Mitleid betrachtet zu werden. Da er ein höflicher Mensch war, schwieg er sich natürlich angesichts der neuen Situation darüber aus, ja vermied die kleinste Andeutung. Doch er besaß nun mal die natürliche Abneigung gegen all die verblasenen Produkte verwirrter Phantasten und vermochte nicht zu begreifen, wie ein vernünftiger Mensch überhaupt einen Roman lesen konnte. War doch ein Roman für ihn ein frommes Märchen, das sich einer ausdachte, um sich zur Freude anderer aus der Wirklichkeit herauszulügen. Und der Urheber eines solchen Werkes saß dafür von morgens bis abends in seinem Schreibkabinett vor dem entstöpselten Tintenfaß, schaute tief vor sich hinsinnend – so er Glück hatte – auf einen schönen Apfelbaum, währenddessen er seinem geplagten Gehirn Kapitel um Kapitel abdestillierte.
Aus: Renate Feyl – Die profanen Stunden des Glücks – Romanportrait der Stammmutter der Romantik, Sophie von La Roche, die den ersten Frauenroman in Deutschland schrieb – Heyne Verlag – München 1998