“Ja, und jetzt den Eischnee vorsichtig unterheben, nimm den Schneebesen, unterheben habe ich gesagt, nicht rühren, klappt’s? Gut. Dann den Teig in die Springform füllen, sie darf am Rand nicht gefettet sein, hörst du? Nur den Boden einfetten… Den Teig glattstreichen. Hast du? Ja, jetzt ab in den Ofen, aber nicht die Tür öffnen, bevor er fertig ist, sonst…”
Schweißgebadet bin ich, in der Küche ein nie gekanntes Chaos. “Danke, Mamuschka”, sage ich, “wann geht’s weiter? In eineinhalb Stunden? Ok! Ja, den Biskuit schneide ich durch, für die Creme stelle ich alles bereit…”
Meine Güte, auf was habe ich mich nur eingelassen?? Dabei habe ich Isi letzte Woche nur beiläufig nach ihrem Geburtstagswunsch gefragt. Ihre prompte Antwort ohne Überlegen: “Mmh, eine selbstgebackene Torte, Mokkacreme, das wäre der Knaller!”
Der Knaller. Rezept aus dem Internet zweimal ausgedruckt – eins für mich – eins meiner Mutter per Post geschickt. Zutaten gekauft, Kuchenform ausgeliehen, einen Tag vor Isis Geburtstag frei genommen. Telefonkonferenz mit meiner Mutter verabredet, die mein allerserstes Back-Event betreuen wird. Ihr amüsierter Kommentar: “Junge, da bist du wohl schwer verliebt.”
Ja, bin ich, ich bin verliebt – und das nicht erst seit gestern. Ich bin verliebt und streiche die Creme gefühlvoll auf die Biskuitböden, die ich zusammensetze. Alles ein bisschen schief – egal. Die Überraschung arbeite ich mit ein, markiere die Stelle mit einer Extraportion Schokostreuseln. Geschafft! Mein Meisterwerk wandert in den Kühlschrank. Sie wird Augen machen morgen. Ganz früh werde ich sie schon anrufen, um ihr zu gratulieren und dann nachmittags…
Und dann kommt alles ganz anders als geplant.
1. Ich bin gar nicht eine Stunde früher da, wie ich es mir so schön ausgemalt hatte. Hatte ich da etwas falsch verstanden? Ich komme kaum dazu, Isi so richtig in den Arm zu nehmen. Es sind mehr Gäste da, als ich erwartet hatte.
2. Und vier weitere Torten – Mokkacreme. Konnte ich damit rechnen, dass sie in Konkurrenz treten würden mit meiner, die ich nicht ohne beachtliche Transportschäden fast wortlos neben die anderen perfekten Konditorwerke stelle. Richtig mickrig sieht sie aus – wie ein Kindergartenprodukt. Was für eine Blamage! Da wird mich auch der riesige Blumenstrauß nicht rausreißen.
3. Und nun? Keinen Millimeter entferne ich mich räumlich und gedanklich von meinem Kuchen-Albtraum.
4. Dann eine beherzte Aktion. Ich mache mich nützlich, mit einem Messer fange ich an, Tortenstückchen zu schneiden – und ach, wie ungeschickt – mein schändliches Gebilde klatscht nicht unbemerkt von den anderen auf den Küchenboden. Ich bin gerettet!! “Oh, wie schade”, ertönt es. Erleichtert sage ich: “Nicht so schlimm, sie hatte es nicht besser verdient, wirklich nicht.”
5. Äußerst konzentriert schabe ich die Fragmente vom Fußboden, wohl bedacht, sie alle in eine neue Mülltüte zu schaufeln. Den Knoten zurre ich sehr fest und bringe den Matsch nicht zur Mülltonne, sondern verstaue ihn in meinem Kofferraum. Was für ein Unternehmen!
6. Reichlich entspannt kann ich nun endlich mitfeiern. Ach, Isi, an diesen Geburtstag werden wir hoffentlich noch lange denken…
7. Die Gäste sind weg. Wir räumen ein bisschen auf. “Setz dich”, sagt sie, “jetzt beginnt der gemütliche Teil, nur wir beide.”
8. Nur wir beide. Schnell habe ich die eingetütete Katastrophe geholt. “So, Isi, und jetzt zeige ich dir, wie man Mokkacreme-Torte wirklich isst. Man gibt sie nämlich genau in diesem Zustand und in dieser Konsistenz auf einen riesengroßen Teller. dann nimmt man eine Gabel und matscht das noch mal so richtig durch, bis man…” Sie schaut mich an, als ob sie an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln müsste.
9. “…bis man auf etwas trifft, das in solch einem Nahrungsmittel gar nichts verloren hat.” Endlich bin ich in diesem schrecklichen Pamps auf das Gesuchte gestoßen.
10. Isis Blick wechselt zwischen mir und dem cremeverschmierten Ring, der an der Gabelzinke baumelt. Unglaublich, was ich da in ihren Augen sehe. Es entschädigt mich für alles, was ich seit gestern durchlitten habe.
11. “Du bist verrückt, total verrückt! Und du meinst es Ernst – oder?”, fragt sie.
12. Stumm nicke ich.
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