PAARE: Durchbruch
9. Januar 2009 von Donna
Er zog nebenan ein, als ich bereits ein Jahr in meiner neuen Wohnung lebte. Adventszeit war, ich schmückte meine Terrasse mit Lichterketten. Wir nickten uns zu und stellten uns kurz vor.
“Ich bin Lehrer, das sind ganz schreckliche Menschen, aber ich bin da eine Ausnahme”, sagte er schmunzelnd.
“Zu diesen Ausnahmen gehöre ich auch, ich unterrichte Deutsch und Kunst. Und Sie?”
“Deutsch und Biologie! Na, dann auf gute Nachbarschaft! Als erstes muss mein Arbeitszimmer funktionstüchtig sein, sonst geht gar nichts. Ich muss weitermachen. Bis bald mal.”
“Ja, bis bald.”
Bald kam schneller als ich dachte. Schon am nächsten Abend stand er vor der Tür und fragte ganz höflich, ob er sich eine Tüte Mehl ausleihen dürfte, er wäre noch nicht zum Einkaufen gekommen.
“In einer halben Stunde kannst du rüberkommen, es gibt Pfannkuchen – meine Spezialität.”
“Du bist witzig, ich muss noch…”
“…korrigieren”, vervollständigte er meinen Satz ganz richtig.
Wir lachten beide.
“Ok, in einer halben Stunde bin ich da.” Er verschwand mit der Mehltüte.
Ich sah auf die Uhr, ein paar Diktate würde ich noch schaffen. Pfannkuchen? Wann hatte ich die das letzte Mal gegessen? Das war Ewigkeiten her! Viel konnte man dabei ja glücklicherweise nicht verkehrt machen.
Nein, aber ganz viel richtig machen konnte man. Das waren nicht so unförmige Ofenlappen, sondern kleine Delikatessen gefüllt mit Pfirsich-Mascarpone-Creme. Den Wein tranken wir aus Wassergläsern dazu, es war saugemütlich in seinem Umzugschaos.
Seitdem hingen wir ziemlich oft zusammen. Mal bei mir, mal bei ihm. Mal kochten wir zusammen, mal gab es etwas zu fachsimpeln, einen Film zu gucken, oder einfach nur mal so.
Als ich mit einer dicken Grippe im Bett lag, kümmerte er sich rührend um mich. Als er im Urlaub war, mähte ich seinen Rasen, goss die Blumen, lüftete, sah nach der Post. Im Scherz sprachen wir immer öfter davon, dass es viel einfacher wäre, einen Durchbruch zwischen unseren Wohnungen zu machen…
“Du hättest eine viel größere Wohnung”, sagte er.
“Du aber auch”, gab ich zurück und nahm das auch alles gar nicht Ernst an diesem Abend, der uns beide am nächsten Morgen nicht ohne schlechtes Gewissen in unseren Unterricht gehen lassen würde, weil wir mal wieder gesumpft hatten.
“Schluss jetzt, sonst kommen wir morgen nicht raus”, beendete ich unser Zusammensein. Er kramte umständlich nach seinem Haustürschlüssel und streichelte zum Abschied meine Wange.
Für mich hieß es jetzt schnell ins Bett. Als ich das Licht im Badezimmer anmachte, schaute ich erstaunt in den großen Spiegel, auf dem mit Lippenstift geschrieben stand: ‘KUSCHELN IST SCHÖN!’ – darunter seine Telefonnummer. Ich zögerte nur einen kleinen Moment, dann griff ich zum Telefon.
“Ich wusste, dass du anrufen würdest, sagte er, “gut, dass du meine Meinung teilst…”
“Und jetzt?”, fragte ich etwas gedehnt.
“Lass uns nicht warten, bis der Durchbruch fertig ist!”, war seine überzeugende Antwort.
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