Nicht davor und nicht danach
10. August 2010 von Donna
Ein Gedicht, das spürt man, wenn man an sein Lieblingsgedichr denkt, ist nie nur die Summe seiner Teile, sondern immer ein Organismus, der stirbt, wenn man ihn zerschneidet. Deswegen ist auch wahr, was oft behauptet wurde: Gedichte versteht man nur ganz, während man sie liest. Nicht davor und nicht danach. das ist ähnlich wie mit der Musik. Gedichte sind keine Gegenstände, eher Zustände. Deswegen können wir sie auch schlecht zu uns herüberziehen in die Prosa unserer Verhältnisse. Wir müssen uns schon aufmachen, zu ihnen zu kommen. Nur so erfahren wir endlich etwas vollkommen Neues.
Iris Radisch: „Nie wieder Versfüßchen“ aus DIE ZEIT vom 24.05.2007