Momentaufnahme: Von mir werden Sie noch hören
11. September 2009 von Donna
Da hatte ich das Abi in der Tasche und litt an grenzenloser Selbstüberschätzung.
Auf dem Abiball kam ich noch kurz mit meiner Deutschlehrerin aus der elften Klasse ins Gespräch. Was hatte sie sich angestrengt für dieses Event, die Augenbrauen balkendick nachgezogen und den Mund knallrot übergemalt. Sie war ein wenig außer Atem vom Tanzen. Ihr Mann, ebenfalls Lehrer an unserer Schule, hatte sie so schwungvoll und federleicht über das Parkett der Aula wirbeln wollen und musste sich dann doch eher abmühen mit ihr, die in seinen Armen so ungelenk und stolperig hinter ihm hertapste. Ihr hatte das Tänzchen sehr viel Vergnügen bereitet, sie strahlte über das ganze frohe Farbengesicht.
„Prima, Ihr Notendurchschnitt“, lobte sie mich, „was haben Sie nun vor?“
Ich antwortete nicht direkt auf die Frage, sondern sagte voller Überzeugung: „Von mir werden Sie noch hören, ich schreibe nämlich ein Buch.“
„Das würde mich nicht wundern“, entgegnete sie freundlich, „jahrelang haben Sie die Schülerzeitung mitgestaltet und Sie sind in der Schreibwerkstatt, gute Voraussetzungen.“
Bei jeder Examensarbeit dachte ich an meine Worte, wenn ich die gebundenen Exemplare in der Hand hielt, bei jeder großen Präsentation und Studie, an der ich mitgearbeitet hatte. Aber es gab kein Buch in all den vielen Jahren.
Nach über dreißig Jahren traf ich meine Lehrerin zufällig wieder, als ich zu Besuch war in meiner Heimatstadt. Sie erinnerte sich nicht an unsere kleine Unterredung, an meinen Höhenflug, da musste ich ihr auf die Sprünge helfen. Aber beide konnten wir herzlich darüber lachen.