Du hast das Recht, einen anderen Menschen zu verletzen
5. Mai 2009 von Donna
Du hast das Recht,einen anderen Menschen zu verletzen.
Nicht vorsätzlich oder bösartig,
wohl aber im Vollzug deines Lebens,
auf dem Weg in die Reife.
Wo wir einander nur schonen,
werden wir einander bald verwöhnen.
Wo wir echt und ehrlich sind,
werden wir einander verletzen.
Wenn zwei Menschenleben aufeinandertreffen,
nicht nur oberflächlich, sondern in der Tiefe,
da ist es nicht zu verhindern,
daß sie sich verunsichern, erschrecken,
beängstigen und verletzen.
Du bist so anders als ich,
und nie wirst du die Welt so sehen,
wie ich sie sehe.
Wir leiden an der Andersartigkeit anderer,
aber es ist auch unsere Chance,
unseren Horizont zu erweitern
und zu wachsen.
Wenn wir einander um jeden Preis
vor Verletzungen schützen wollen,
werden wir einander tiefer verletzen,
weil wir die Herausforderungen beseitigen,
an denen wir reifen können.
Ohne dich und die Wunden, die du mir machst,
werde ich nicht so reif sein.
wie ich sein könnte.
Ohne mich hast du keinen Spiegel, in den du sehen kannst,
was dir noch fehlt.
Wenn sich jemand mit dir einläßt
und dir erlaubt,
wirklich du selbst zu sein,
wirst du diesen Menschen
früher oder später verletzen,
auch wenn du es nicht willst.
Vielleicht wird es schmerzhafter für dich sein,
zu verletzen, als selbst verletzt zu werden.
Du wirst versuchen, mit deinen Schuldgefühlen
fertig zu werden, und nicht wissen wie,
weil du dich als Liebenden gesehen hast,
und jetzt wirst du zum Verletzenden.
Dir wird es auch schwerfallen, noch zu glauben,
daß du liebst.
Wenn du liebst
und nicht nur oberflächlich lebst,
hast du das Recht, zu verletzen.
Ulrich Schaffer in “Grundrechte: Ein Manifest”