Beitrag von STEFFEN zum Schreibprojekt im März 2010
20. März 2010 von Donna
KOMPLIZEN
Ein Lächeln, zart wie die ersten Sonnenstrahlen des herannahenden Frühjahrs… Und es gilt mir, nur mir allein. Ich kann mich gar nicht sattsehen daran und an der eisverschmierten kleinen Kinderschnute. Zwei Kugeln – Vanille und Erdbeer – bunte Zuckerstreusel obendrauf – Glückseligkeit für Schleckermäuler.
Zugegeben, sie ist überfordert mit so viel süßem Glück, das ein Eigenleben führt während des Schmelzvorgangs. Da muss ich ihr schon helfen, weil die Erfahrung fehlt beim Eisschlecken. Mehr als üblich rinnt unerbittlich über den Waffelrand und sucht sich tropfend seinen Weg in die Öffnung des Ärmels und auf die Jacke, weil sie gegen diese sahnige Erdbeer-Vanille-Flut nicht ankommt. Ich aber auch nicht, so viele Papiertaschentücher habe ich nicht dabei! Tapfer hält sie die Waffel, die dann auf einmal, inmitten dieses eigentlich verbotenen Ausflügs in die Welt der Süßigkeiten der ungelenken Kraftaufwendung eines Kleinkindes nicht mehr standhält und resigniert aufgibt. Mit einem Schwupps landet das, was von der Erdbeerkugel übriggeblieben ist, auf dem Ärmel. Die mittlerweile auf Körpertemperatur angewärmte Vanillesoße ergießt sich auf die Hose. Meine Tochter schreit auf, beginnt herzerweichend zu weinen, die zerdrückte Waffel in ihrem kleinen Fäustchen! Sie versteht die Welt nicht mehr. Wie kann ein so herrliches Vergnügen so schnell vorbei sein?
Vergnügen?? Für mich schon lange nicht mehr! Mit den schon triefenden Taschentüchern versuche ich das Schlimmste zu beheben, mache aber alles nur noch schlimmer. Meine Tochter wehrt sich mit Händen und Füßen, als ich versuche, ihr das zermatschte Waffelhörnchen zu entringen.
Was bleibt zu tun, wenn mir meine Frau nicht auf die Schliche kommen soll? Denn da ist sie irgendwie ganz komisch. Babys und Kleinkinder sollen in den ersten Jahren vertiefende Geschmackserlebnisse mit gesunden Lebensmitteln abspeichern können, damit sich die Präferenz für Süßkrams nicht herausbilden kann. Bei ihr scheint da allerdings in ihrer Kindheit etwas schief gelaufen zu sein. Sie ist eine richtige Naschkatze und hat sich erst vor ein paar Monaten von öffentlichem Naschen auf heimliches Naschen umgestellt, sie tut das für unsere Tochter, sagt sie.
Ich handele schnell und gezielt. Mit meiner maulenden Tochter im Kinderwagen geht es in eilendem Tempo von der Eisdiele ins Kaufhaus. Nachdem ich dort eine Großpackung Feuchttücher erstanden habe und wir endlich die Kundentoilette im obersten Stockwerk erreicht haben, beginne ich mit der gründlichen Reinigungsaktion meines Eismädchens. Ich kann wirklich nicht sagen, dass ihr das gefällt, aber irgendwie scheint sie intuitiv zu spüren, dass wir Komplizen sind. Sie hält einigermaßen still, auch weil ich beruhigend auf sie einrede.
Auf dem Nachhauseweg kommen wir wieder an der Eisdiele vorbei. Und weil ich es nicht verantworten kann, dass mein Kind so eine schreckliche Verknüpfung mit ihrem ersten Eiserlebnis abspeichern wird, entschließe ich mich für eine Wiedergutmachung. Da ich gelernt habe aus der letzten halben Stunde, gibt es nun eine Kugel Vanilleeis im Becher mit einem kleinen Löffelchen. Nun klappt alles recht ordentlich.
Und dann ist es auch wieder da, dieses Lächeln, zart wie die ersten Sonnenstrahlen des herannnahenden Frühjahrs…