Beitrag von Donna zum Schreibprojekt im April 2010
17. April 2010 von Donna
Viel Zeit blieb nicht mehr. Schon in wenigen Stunden würde eine Bombe platzen, wenn Frau Köhn nicht genau das tun würde, was ihr Arbeitgeber von ihr verlangte.
Wie jeden Freitagmorgen hatte sie sich pünktlich um neun Uhr eingefunden, um bis zum frühen Nachmittag das Haus auf Vordermann zu bringen, zu bügeln und einen Kuchen zu backen. Sie liebte ihre Arbeit bei dem Ehepaar Borchardt, das sie frei schalten und walten ließ. Und dass beide immer nur von ‚unserer Perle‘ sprachen, erfüllte sie mit Stolz. Vor einigen Monaten hatte es allerdings einschneidende Veränderungen gegeben. Frau Borchardt wohnte nun aus beruflichen Gründen unter der Woche gute 200 Kilometer entfernt in einem kleinen Appartment, irgendeine Filiale musste sie aufbauen, so ganz genau wusste sie es nicht. Deshalb war es ihr besonders wichtig, dass zum Wochenende alles tipptopp in Ordnung war.
Gut, aufmerksam, wie sie war, war sie in den letzten Wochen schon häufiger über einige Dinge gestolpert, die sie irritiert hatten: Bettwäsche, die schon abgezogen in der Waschmaschine lag, eine größere Zahl an Weingläsern in der Geschirrspülmaschine und dunkelbraune lange Haare im Abfluss der Dusche… Alles noch irgendwie dezent auffällig. Sie wollte da nichts hineininterpretieren. Aber was sie an diesem Morgen vorfand, verschlug ihr fast den Atem und schnitt ihr tief ins Herz. Alles deutete darauf hin, dass Herr Borchardt eine rauschende Liebesnacht verbracht hatte. Die Reste eines opulenten Abendessens nebst Geschirr standen in der Küche, die Weingläser noch im Wohnzimmer, die Kissen auf dem Sofa waren zerknautscht und im Schlaf- und Badezimmer herrschte ein wahlloses Durcheinander. Da hatten es morgens zwei sehr eilig gehabt.
Auf dem Esstisch fand sie eilig hingekritzelte Zeilen: „Liebe Frau Köhn, bringen Sie das in Ordnung, ich verlasse mich auf Sie!“ Daneben lagen fünf Einhundert-Euro-Scheine. Fasungslos starrte sie auf den Zettel und auf das Geld. Jetzt galt es, einen klaren Kopf zu behalten und die nächsten Schritte genau zu bedenken. Sie kochte sich einen starken Kaffee, den sie mit auf die Terasse nahm, um dort ganz in Ruhe eine Zigarette zu rauchen und auch eine zweite. Dann stand ihr Entschluss fest.
Sie verließ die Wohnung, schwang sich auf ihr Fahrrad und radelte nach Hause, denn da hatte sie ihr kleines Notizbuch, in dem sie auch die Handynummer von Frau Borchardt fein säuberlich eingetragen hatte – für Notfälle.
Dies war ein Notfall, eindeutig, zumindest nach ihren ganz persönlichen Köhnschen Moralvorstellungen und ihrer überaus großen Sympathie für Frau Borchhardt, die von all dem wahrscheinlich nicht die leiseste Ahnung hatte. Beherzt griff sie zum Telefon und wählte die Nummer. Sie hatte Glück, die gewünschte Gesprächsteilnehmerin meldete sich prompt und war sichtlich erstaunt. Unter dem Vorwand, mit Frau Borchardt noch etwas Wichtiges besprechen zu müssen, bat sie diese am Nachmitag nicht erst zum Einkaufen zu fahren, sondern auf direktem Weg gleich nach Hause, damit sie Gelegenheit hätten zu reden.
So konnte Frau Köhn nun ziemlich sicher sein, dass Frau Borchardt, wenn nicht irgendetwas Unkalkulierbares dazwischen kam, definitiv vor ihrem Mann das Haus betreten würde. Und dann, nun ja, dann würde die Bombe platzen.
Herrlich, so ein unverhofft freier Freitag! Viel früher als geplant konnte sie nun aufbrechen, um ihre Tochter über das Wochenende zu besuchen.