Donnas Beitrag zum Schreibprojekt im Januar 2010
16. Januar 2010 von Donna
Ein richtiges Januargefühl wollte sich nicht einstellen. Nicht wie sonst blickte er zufrieden auf die guten Umsätze des Weihnachtsgeschäftes und auf ruhigere Zeiten im Verkauf und in der Werkstatt.
Er sah an dem ersten Verkaufstag des neuen Jahres durch das riesige Schaufenster seines Juweliergeschäftes auf die Einkaufsstraße: Schneematsch. Passanten, die vermummt und mit eingezogenen Köpfen vorbeieilten. Tannenbäume, die nun ausgedient und nutzlos zur Abholung bereitlagen. Weihnachtsdeko, die von anderen Ladeninhabern noch nicht abgenommen worden war. Kurzum, ein trauriges Bild, das seiner momentanen Befindlichkeit gänzlich entsprach.
Gedankenverloren ließ er wieder und wieder die Begebenheit vor seinem inneren Auge entstehen, die das Vertrauen in seine engste Mitarbeiterin in den Grundfesten erschüttert hatte: Wie der Zufall es wollte, traf er sie am ersten Weihnachtsfeiertag im Rathaussaal beim Konzert in der Pause. Sie war nicht allein, was ihm einen heftigen Stich im Herzen verspüren ließ, denn insgeheim hatte er doch so dann und wann… Egal, der Mann an ihrer Seite sah verdammt gut aus und war bestimmt zehn Jahre jünger als sie. Sie wirkte entspannt und ungezwungen, bis sie ihn entdeckte und merkte, dass sie einer Begrüßung nicht aus dem Weg gehen konnte. Nur zögernd reichte sie ihm die Hand – und da – er traute seinen Augen kaum – sah er den Ring an ihrer Hand – Edelmetall und Diamanten im Wert von mehreren Tausend Euro funkelten ihm da entgegen – die Frau hatte wirklich einen erlesenen Geschmack – ein Prachtexemplar aus der Topkollektion eines namenhaften Designers, dessen Label er vor Ort exclusiv vertrat. Ein wenig fester als nötig ließ er den Händedruck ausfallen und als er ihr in die Augen sah, konnte er nichts anderes als blankes Entsetzen und Panik erkennen. Die Vorstellung ihrer Begleitung fiel steif und förmlich aus, ebenso die Wünsche für das neue Jahr, denn erst nach all den Feiertagen würden sie sich im Geschäft wiedersehen. Da er Gewissheit haben wollte, verzichtete er auf den zweiten Teil der Musikdarbietung und ging die wenigen Schritte bis zu seinem Geschäft, in der Hoffnung, dass sich sein Verdacht bem Öffnen des Safes nicht bestätigen würde. Aber der Ring fehlte! Wäre so ein teures Stück am Heiligen Abend noch verkauft worden, hätte man es ihm mitgeteilt. Weit bis nach Mitternacht saß er im Dunkeln in seinem Büro, wobei er auf das kleinste Geräusch achtete, denn die Möglichkeit bestand ja, dass sie nach dieser Entdeckung das Schmuckstück schnellstmöglich zurückbringen wollte, da sie sämtliche Schlüssel besaß. Nichts dergleichen war bis heute geschehen. Heute hatte sie sich krank gemeldet.
Es fiel ihm schwer, sie einer kriminellen Handlung bezichtigen zu müssen, vielleicht gab es eine plausible Erklärung ihrerseits. Er wünschte es sich so sehr nach all den Jahren der vertrauensvollen Zusammenarbeit, in denen sie sich immer äußerst korrekt verhalten hatte. Dass sie sich nun vor einer Konfrontation drückte, das passte so gar nicht zu ihr und er vermutete, dass der neue Lover da vielleicht eine nicht unwesentliche Rolle spielen könnte…
Könnte! Er hielt es nicht länger aus, den vagen Bereich der Spekulationen weiter auszudehnen bis an die Grenzen seines Vorstellungsvermögens, das führte zu nichts. Er würde zu ihr fahren – jetzt, sofort!
Er war schon im Mantel, als ein Bote ihm einen Umschlag überbrachte. Schnell riss er ihn auf, der Ring blitzte ihm entgegen und er überflog hastig das kurze Anschreiben:… nur geliehen für einen Abend…ist mein Verhalten unverzeihlich und daher bitte ich Sie, meine Kündigung mit sofortiger Wirkung entgegen zu nehmen…
Leichten Schrittes verließ er das Geschäft und ging zu seinem Auto. Nein, diese Kündigung würde er unter gar keinen Umständen akzeptieren, denn auf das richtige Januargefühl wollte er auch in diesem Jahr nicht verzichten.