Beitrag von Donna zu Donnas Schreibprojekt im August
21. August 2009 von Donna
D.I.E.S.E T.U.S.S.E
Missmutig räumte sie die Geschirrspülmaschine aus. Ob aus diesem verkorksten Wochenende noch etwas herauszuholen war, wagte sie zu bezweifeln.
Die Auseinandersetzung mit ihrer mittlerweile 14-jährigen Tochter am
gestrigen Abend hatte dafür gesorgt, dass sie lange nicht einschlafen
konnte und dann auch nicht den erholsamen Schlaf fand. Wie gerädert war
sie erwacht und anstatt sich wie sonst noch einmal umzudrehen, war sie
aufgestanden und hatte sich eine große Kanne Tee gekocht. Sina würde
zum gemeinsamen Frühstück erst viel später erscheinen, wenn
überhaupt… Wenn sie überhaupt wieder mit ihr reden würde…
___
Gestern hatte Sina geredet wie ein Wasserfall, wobei das Wort
‚widerlich‘ ihr wie ein Mantra Halt zu geben schien. Man bedenke, ein
deutsches Wort in ihrem von Anglizismen wimmelnden Sprachgebrauch,
wobei sie das i so in die Länge dehnte, als ob es tatsächlich mit ie
geschrieben würde – böse Falle bei der Verschriftlichung, aber egal,
wir sind ja bei gestern Abend.
„Widerlich, diese Tusse, die jetzt unbedingt Papa heitraten will! –
Widerlich, wie die sich an ihn rangemacht hat! – Widerlich, wie die
sich bei mir einschleimen will! Widerlich, wie die sich küssen, wenn
ich dabei bin! Widerlich, diese Verlogenheit! Widerlich…“
„Halt! Stopp!“, gebot sie Einhalt,“was bitteschön ist verlogen an
der Sache? Dein Vater möchte erneut heiraten, er hat dir seine
zukünftige Frau vorgestellt und sie haben dich zur Hochzeit eingeladen.
Dein Vater hat mir sechshundert Euro gegeben für Kleidung, Schuhe,
Friseur und Schickimicki. Das empfinde ich als äußerst spendabel. Er
möchte dich dabei haben und er möchte, dass du hübsch aussiehst, dich
wohlfühlst und dich mit ihnen freust.“
„Ich kotze gleich vor lauter Freude!“, schrie sie und fing
bitterlich an zu weinen. „Und du, du tust doch nur so cool, du kannst
mir nicht weismachen, dass dir das alles nichts ausmacht! – Spendabel,
dass ich nicht lache!! Sein schlechtes Gewissen will er beruhigen! Aber
nicht mit mir! Ist doch widerlich, so etwas!“ Abrupt erhob sie sich vom
Sessel und verschwand in ihrem Zimmer, ohne ihre Mutter eines Blickes
zu würdigen.
Laute Musik dröhnte durch das Haus, dann wurde es still, weil sie
bestimmt mit ihrer Freundin telefonierte. Sie konnte im Moment nichts
für Sina tun, sie tat ihr unendlich Leid in ihrem Schmerz. Sie war
eifersüchtig, fühlte sich zurückgesetzt, weil sie nun nicht mehr die
Nummer eins war bei ihrem Vater. Und sie als Ex-Frau? Tat sie nur cool
oder war sie es wirklich? In sich hineinhorchend, spürte sie keinen
unangenehmen Pieks. Gut. In den vielen Jahren, die seit der Scheidung
vergangen waren, hatten doch viele Wunden heilen können.
Sina brauchte eine gute Stunde, um an ihrem Konzept zu arbeiten.
„Also“, begann sie, „ich werde nicht zu dieser Hochzeit gehen, es sei
denn, du kommst mit.“ Provozierend sah ihre Mutter an. „Wenn es dir
wirklich nichts ausmacht, dann hast du doch kein Problem damit, oder?“
„Das werde ich bestimmt nicht tun, ich habe da überhaupt nichts zu suchen!“
„Ok, genau die Reaktion habe ich von dir erwartet. Nächster
Vorschlag: Wir tun so, als ob ich ginge, aber ich erkranke plötzlich
und kann leider das Bett nicht verlassen. Sechshundert Euro gespart,
davon könnte ich prima…!“
„Vergiss es!“
„Wir teilen uns das Geld!“
„Nein!“
„Du behältst das Geld ganz! Hauptsache, ich muss nicht zur Hochzeit!“ Dicke Tränen standen ihr in den Augen.
„Sina, das sind doch alles keine Lösungen für das eigentliche Problem…“
„Ich habe keine Probleme, aber ich sage dir eins, Papa wird eines
haben, das garantiere ich dir – und du, du steckst doch mit ihm unter
einer Decke!“
Nach diesem Rundumschlag, mit dem ihr kleines verletztes Mädchen ihre ganze Empörung kundgetan hatte, verschwand sie erneut.
___
Lustlos blätterte sie in der Zeitung, als plötzlich Sina ganz
verschlafen in der Küchentür stand. Schuldbewusst murmelte sie ein
‚Guten Morgen‘, nahm sich einen Becher und goß vorsichtig Tee ein.
„Ich habe mich ganz schön blöd benommen gestern, entschuldige
bitte…“, begann sie äußerst zaghaft, „Mamusch, ich schaffe das
einfach nicht, zu der Hochzeit zu gehen, wirklich nicht. Ich werde Papa
anrufen und ihm das erklären – und die 600 Euro, die geben wir ihm
zurück. Ich denke, das ist der beste Weg – oder?“
„Es ist dein Weg, Sina, komm mal her zu mir“, sagte sie mit großer
Erleichterung und legte ihren Arm um ihre Tochter, sobald sie in
erreichbarer Nähe war. „Reden ist immer gut – und einmal oder mehrmals
über eine Angelegenheit zu schlafen ist auch von Vorteil. Was hältst du
davon, wenn wir uns einen knallvergnügten Mädelstag machen? – Deinen
Vater kannst du am Montag immer noch anrufen.“