Personenskizze
4. Januar 2009 von Donna
Er fertigt sich von jeder Besprechung ein Protokoll an.
Er hat zu Hause 150 Ordner stehen mit all den wichtigen Vorgängen, die er bearbeitet hat oder gerade bearbeitet – er verlässt sich nicht gerne auf die betriebsinterne Archivierung.
Er ist pünktlich, höflich, aber nicht zuvorkommend.
Er saß von Anfang an allein in den Pausen, immer seinen Block in der Hand – Stichworte notierend.
Er trinkt keinen Tee, keinen Kaffee – er trinkt Leitungswasser.
Er isst seine selbst geschmierten Leberwurst- und Fleischwurststullen, die er in Gefrierdosen mit blauem Deckel transportiert und gleich morgens auf seinen Schreibtisch stellt.
Er geht nie mit, wenn die Kollegen spontan entscheiden, die Mittagspause beim Italiener um die Ecke zu verbringen – zu teuer!
Er bedient sich reichlich, wenn mitgebrachte Geburtstagsleckereien für alle im Aufenthaltsraum stehen, aber er selbst scheint keinen Geburtstag zu haben.
Er zahlt widerwillig in die Freud- und Leidkasse ein – sein abgewetztes Kinderportemonnaie ist Mitleid erregend – mehr als 15 Euro hat er nie dabei – mehr Geld würde ihn zu unbedachten Käufen verführen.
Er kleidet sich unauffällig – eher praktisch und wetterfest – zwei Paar Schuhe sind ausreichend – Sandalen im Sommer, sonst feste Halbschuhe.
Er trägt die Haare meistens offen, die modischen Veränderungen sind für alle offensichtlich, wenn er sich alle paar Monate für eine Kurzhaarfrisur entscheidet.
Er hat kein Auto – das Fahrrad reicht völlig.
Er hat nicht das Bedürfnis, aus seiner Studentenbude auszuziehen.
Er verreist nicht im Urlaub – kleinere Ausflüge mit dem Rad zu Lidl scheinen seine Abenteuerlust zu befriedigen – Schnäppchenjagd treibt ihm das Adrenalin in die Adern.
Er hat mich gestern nicht bemerkt beim Einkaufen. In seinem Wagen: 10 Päckchen Billigst-Schwarzbrot und mindestens eben so viele Wurstpackungen, die dem Verfallsdatum schon ziemlich nahe gekommen waren und auf denen das besondere 30%-Schild klebte.
Er ist 28 Jahre alt, hat einen exzellenten Studien-Abschluss, es kam von vorne herein nur ein Job im Heimatort infrage.
Er scheint zufrieden zu sein mit seinem Leben. Ihm fehlt es an nichts.