Momentaufnahme: Tante Narda
8. Juli 2009 von Donna
Wir Kinder mochten Tante Narda aus einem einzigen Grund. Wenn sie uns besuchte, besserte sie unser Taschengeld in nicht unerheblichem Maße auf. Ach ja, und eine Tafel Novesia-Vollmilch-Ganze Haselnüsse-Schokolade gab es auch.
Wir ertrugen ihre sehr feuchten Küsse, den Uralt-Lavendel-Geruch, der sie stets umgab, und ihre langatmigen Erzählungen von der Herrschaft, bei der sie als Hausdame lange Jahre in Stellung war, bevor sie für damalige Verhältnisse sehr spät heiratete. Ihre Ehe war nur von kurzer Dauer, ihr Mann blieb im Krieg, ihr aber blieb eine gute Pension und die Kriegswitwen-Rente. An ihre Haut ließ sie nur Wasser und CD – damit will ich sagen, dass sie um Männer einen großen Bogen machte, sie war Single aus Überzeugung.
Tante Narda war ständig auf Reisen – Verwandtenbesuche. Ihre Verwandtschaft war so groß, dass sie selten zu Hause war. Im Nachhinein überlege ich gerade, ob sie ganz bewusst das Jahr verplante… Aber nein, auf ihre eventuelle Planung konnte sie sich ja gar nicht verlassen, denn sie war sehr rechthaberisch und die daraus resultierende Streitsucht machte ihr häufig einen Strich durch ihre eigene Rechnung. Beleidigt brach sie häufig ihren Aufenthalt ab, um sich nach wochenlangem Schweigen doch wieder in Erinnerung zu bringen. Sie tat so, als sei nichts gewesen, schickte Päckchen und Pakete mit Selbstgestricktem und Konfekt, nur um für den nächsten Besuch wieder Schönwetter zu machen. Eine Entschuldigung wäre das Letzte gewesen, was aus ihrem Mund oder ihrer Feder gekommen wäre. Hochherrschaftliche Allüren – ja, die hatte sie irgendwie angenommen und die lebte sie.
Was mir noch in Erinnerung geblieben ist? Tante Nardas Kommentar, wenn sie vom selbstgebacken Kuchen meiner Mutter kostete, war: „Da fehlt die Prise Salz! Das schmecke ich sofort.“ Wir Kinder warteten jedes Mal darauf und wurden nicht enttäuscht.
Erst nach ihrem Tod kam es heraus, als ihr Arbeitszeugnis in all den Papieren gefunden wurde: Tante Narda war nie Hausdame gewesen, sie war die Köchin, die nie die Prise Salz vergaß.